Freitag, 29. November 2013

 
Pilze
und Flechten
Weilmünsters
 
 
Anmerkungen zu bemerkenswerten Pilzen und Flechten des Weiltales aus der Umgebung Weilmünsters

Boletus luridus, Clavaria rugosa,


Hexenring aus Parasol-Pilzen. September 2008




PILZE und FLECHTEN WEILMÜNSTERS
 
Eine Publikation der Artikelserie
 
NATUR DES WEILTALES
 
 
in der "Schriftenreihe Naturwissenschaften"
 
des CID - Verlages, Weilmünster
 
Unabhängiger Internet-Verlag des Privatinstitutes
 
CID - Forschung
 
von
 
Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger
 
 
 
 
 
Das besondere Wesen der Pilze
 
Im systematischen Grenzbereich zwischen Tieren und Pflanzen existieren mehrere Gruppen von Lebewesen, deren Charakteristika keine eindeutige Zuordnung zu den Trennungsmerkmalen der beiden hochentwickelten Lebensformen zulassen. Es sind dies die Algen, Flechten und Pilze.
 
Tiere, allgemein charakterisiert durch die Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung, der aktiven Mobilität, ernähren sich zumeist heterotroph, d.h. sie sind auf die Stoffwechselprodukte bzw. organisches Körpermaterial anderer Lebewesen angewiesen. Demgegenüber sind Pflanzen sessil, also nicht zu aktiven Ortswechseln fähig und ernähren sich durch die Aufspaltung anorganischer Substanz mittels der Photosynthese.

Pilze stellen dahingehend eine Übergangsform zwischen den beiden systematischen Haupt-Ordnungsgruppen dar, daß sie sich  als sogenannte "Saprophyten" ebenfalls heterotroph durch Zersetzung  organischer Substanz ernähren und daß manche Entwicklungsstadien durchaus die Fähigkeit zum selbständigen Ortswechsel haben können. Pilzen fehlt das Chlorophyll sowie die Zellkompartimente, welche dieses in anderen Pflanzen enthalten. Desweiteren läßt sich in Pilzen fast immer das Chitin als Aufbau-Bestandteil der Zellwände finden, das ansonsten als Körperbaubestandteil nur bei Arthropoden vorkommt. Auch die Struktur des Pilz-Körperbaues unterscheidet sich grundlegend von Tieren und Pflanzen und besteht nicht aus einem festen Gefüge von unterschiedlich ausdifferenzierten, zusammenhängenden Zellverbänden sondern aus einem System einzeln wachsender Zellfäden, den "Pilz-Hyphen", die sich zur Bildung des Fruchtkörpers netzartig verflechten und so das sogenannte "Pilz-Mycel" bilden, auch "Flecht-Thallus" genannt.

Diese Wuchsform, bei der wuchernde Zellfäden sich zu festen Fruchtkörpern  vernetzen, erlaubt es den Pilzen, innerhalb kürzester Zeit phänomenale Größenzuwächse zu erzielen. Sprichwörtlich können Pilze an ihren Wuchsorten "über Nacht aus dem Boden schießen". Diese außerordentliche Wuchskraft, das magischen Symbolen ähnelnde Aussehen der Fruchtkörper mancher Pilzarten, die die Form von Eiern oder Phalli annehmen, sowie die psychoaktive Wirkung die während oder nach dem Verzehr dieser Lebewesen als Nahrungsmittel einsetzen kann, haben den Pilzen den Ruf eingebracht, Zauberpflanzen zu sein. Diesem Mythos folgte in der ethnobotanischen Geschichte der Pilze unweigerlich der Bann und die Verfolgung durch die Inquisition, die sie als tödliche Giftpflanzen und Hexenwerkzeuge stigmatisierte sowie die gleichzeitige Aufnahme in die offizinellen, medizinischen und kulinarischen Systeme, als Lieferanten von wichtigen medizinischen Grundstoffen wie beispielweise dem entzündungshemmenden Penicillin bzw. als Hauptbestandteil außerordentlich wohlschmeckender Rezepturen aller Küchenideologien.

Beobachtet man die Entwicklung der botanischen Nomenklatur und Speisepilzklassifizierung über die letzten 100 Jahre hinweg unter Berücksichtigung überregionaler Gepflogenheiten so wird man feststellen, daß einunddieselbe Pilzart wie z.B. Fliegenpilz oder Hexenröhrling sowohl als tödlicher Giftpilz, als halluzinogene Medizinalpflanze oder aber auch als wohlschmeckender Speisepilz verzeichnet sein können. Wie immer bei der Betrachtung von Lebewesen angebracht ist auch hier anzumerken, daß die Entwicklung von Pflanzeninhaltsstoffen in engem Zusammenhang mit Alter, Wuchs- bzw. Verwesungszustand der jeweiligen Einzelpflanze steht und die Wirkung dieser Inhaltsstoffe von der Art der Zubereitung, der chemischen Kombination mit anderen Substanzen, der verzehrten Menge und der informationellen Voreinstellung abhängig ist. So ist der Verzehr von 7 kg frischer und in Butter gebratener Fliegenpilze ohne weitere Beilagen möglicherweise gesundheitsgefährdent,  ebenso der Genuß eines einzigen geschmorten Pfifferlinges, wenn man eine Flasche Absinth dazu trinkt und gebratene Bauchweh-Korallen erzeugen höchstwahrscheinlich Magenschmerzen.

Weltweit sind Speisepilzzuchten ein wichtiger Bestandteil der Nahrungsmittelproduktion ebenso wie das individuelle Sammeln von Pilzen in der Natur. Neben dem direkten Verzehr von Pilzfruchtkörpern oder deren Verwendung zur Getränkezubereitung (Teepilz Kombutcha) sind Pilze desweiteren bei der Fermentierung von Lebensmittelzubereitungen (Hefe), der Milchsäuerung und Käseentstehung, sowie der Geschacksverfeinerung (Käseblauschimmel, Wein-Edelfäule) von Bedeutung. Psychoaktive Pilze werden in Ritualen als Überträger für mentale, bewußtseinserweiternde Zustände eingesetzt. Je nach regionaler Medizinalphilosophie werden bestimmte Pilzarten zu Heilzwecken verwendet. Bekannteste, aus Pilzen extrahierte medizinische Substanz ist das bereits erwähnte Penicillin. Manche Pilzfruchtkörper dienen als Kunsthandwerksrohstoff oder anderweitiger Gebrauchsgegenstand (Zunderschwamm).

Mythosumwoben sind in unserem Lebensraum insbesondere die von Pilzen geformten "Hexenringe", Pilze mit phosphoreszierenden Inhaltsstoffen wie der Hallimasch, die nächtliche Leuchtphänomene (Irrlichter) erzeugen, bestimmte Pilzarten mit sexuell-erotischer Symbolik (Phallus impudicus, auch "Hexenei" genannt), der Fliegenpilz Amanita muscaria, welcher Bestandteil von Hexensalben-Rezepturen ist, die im Rahmen bestimmter Rituale die Fähigkeit "des Fliegens" verleihen sollen. Letzterer ist verwandt mit Amanita phalloides, dem "Grünen Knollenblätterpilz", dessen Verzehr in ca. 70% aller Fälle angeblich zum Tode führen soll.

Während die Frage, ob und wann die Giftwirkung des Grünen Knollenblätterpilzes eintritt, wissenschaftlich experimentell geklärt werdern könnte, ist die Erklärung für die Existenz von "Hexenringen" schwieriger. Als Hexenringe bezeichnet man symmetrisch-ringförmige Verfärbungen der krautigen Bodenvegetation von Wiesen, die oft im Zusammenhang mit dem Aufwuchs von bestimmten Pilzarten - Wiesenchampignons und Schirmpilze - an diesen Orten stehen, die Pilze stehen dann in einem mehr oder weniger exakten Kreis (Siehe Titelbild dieses Artikels). Plätzen, an denen solche Phänomene beobachtet wurden, wurden von Menschen magische Bedeutung zugeschrieben und nicht selten sind solche Orte als Versammlungsplätze für rituelle Treffen auserwählt worden, weil man sich so erhoffte, in Kontakt mit unerklärlichen Naturkräften kommen zu können.

Die Erklärung für einen Hexenring auf einer Wiese ist allerdings doch relativ einfach. Von seinem initialen Wuchsort entwickelt sich von einem Pilz aus ein unterirdisches Hyphengeflecht, daß sich gleichmäßig in alle Himmelsrichtungen ausdehnt. An den entferntesten Wachstumsspitzen der Hyphen entstehen in den Folgejahren neue Pilzfruchtkörper so daß diese zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr oder weniger exakt kreisförmig aufwachsen. Stoffwechselprodukte der Pilze wirken in diesen Wuchsringen im Boden und verändern die Bodenchemie im Verhältnis zur näheren Umgebung dergestalt, daß die dort ebenfalls wachsende Kräuter und Gräser auf Grund der unterschiedlichen Nährstoffversorgung z.B. relativ dunklere Blatt-Farben entwickeln, was im Frühjahr oder bei frisch gemähten Wiesen "auffällig" sichtbar werden kann.

Pilze besiedeln alle Lebensräume insbesondere auf dem Lande und im Süßwasser, seltener im Meer. Als Parasiten, Saprophyten, Zersetzer oder Destruenden bezeichnet üben sie u.a. eine wichtige Funktion bei der Wiederzersetzung organischer Substanz aus, d.h. sie förden den Zerfall abgestorbener Pflanzen und Tiere und den Wiederaufschluß der in deren Körpern gebundenen Nährstoffe für die Umwelt (Kompostierung). Durch Förderung der Humusbildung garantieren sie so die Wachstumsgrundlage für die folgenden Lebenszyklen.

Eine besondere Lebensform der Pilze sind die Flechten. Im Gewebe der von Pilzhyphen gebildeten Wuchskörper der Flechten eingelagert befinden sich Algen, welche zur Photosynthese befähigt sind. Die Stoffwechselprodukte dieser Algen dienen dann als Nährstoffe des Flechtpilzes, der so Wuchsorte besiedeln kann, an denen er keine organischen Nährstoffe zur Verfügung hat wie beispielsweise Felsen, Steine, Baumrinde, Totholz, Beton und andere anthropogene Habitate. Mann nennt diese Lebensform Symbiose und die Flechten symbiotische Lebewesen. Im Vergleich mit den meisten Pilzarten wachsen Flechten außerordentlich langsam.




 

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