Freitag, 29. November 2013

Bemerkenswerte Arten

Der Netzstielige Hexenröhrling
Boletus luridus



Boletus luridus - Netzstieliger Hexenröhrling.
Am 2. August 2011 in einem Laub-Wald-Garten in der Nassauer Straße Weilmünsters


Boletus luridus ordnet man systematisch der Familie der DICKRÖHRLINGSVERWANDTEN (Boletaceae) zu und diese wiederum der Abteilung STÄNDERPILZE (Basidiomyceta). Gemeinsamkeit der kurz auch RÖHRLINGE genannten Familie sind kräftig ausgebildte, gestielte Hüte, an deren Unterseite ein leicht vom Hut ablösbares, dichtes Gewebe aus nach unten offenen Röhren wächst. Das einem Schwamm vergleichbare Röhrengewebe begründet auch den volkstümlichen Samen "Schwammerln" für einen Teil der dort zusammengefassten Pilzarten, die auf Grund des kräftig ausgebildeten, oft wohlschmeckenden Fruchtfleisches meist beliebte Speisepilze sind. Zu diesen zählen u.a. der sehr bekannte Steinpilz (Boletus edulis), sowie die Maronen, Kastanien-, Birken-, Butter-, Kuh-, Kapuziner- und Sandpilz,  die Ziegenlippe, der Schmerling sowie der hier beschriebene Hexenpilz sowie der Satans- oder Blutpilz.
 
Boletus luridus ähnelt dem Steinpilz, doch hat letzterer eine weißlich-blaßbräunlichere Färbung während der Netzstielige Hexenröhrling gelblicher gefärbt ist und eine deutlicher ausgeprägte und der Länge nach durchgehende Netzstruktur am Stiel aufweist als der Steinpilz. 
 
 
 
Boletus luridus - Netzstieliger Hexenröhrling
Detail der vertikal-langmaschigen Netzstruktur am Stiel des Pilzes


 

Die deutsche Pilzliteratur verzeichnet den Netzstieligen Hexenröhrling, der bisweilen auch nur "Hexenpilz" genannt wird, gemeinhin als giftig. Doch schon im Großen Konversationslexikon von Meyer aus dem Jahre 1905 wird gleichzeitig zur Erwähnung der Giftigkeit darauf hingewiesen, daß der Hexenpilz in Russland trotzdem gegessen würde. Heute sind die Giftigkeitsvermerke in Deutschland zumeist mit der Einschränkung versehen, Boletus luridus sei "roh giftig", also ungekocht. Die Bedeutung des Verzehres roher, ungekochter Pilze ist in Deutschland allerdings so gering, daß kaum vorstellbar ist, wie die Giftwirkung des Hexenpilzes dann überhaupt zum Tragen gekommen sein soll. Allerdings war und ist das Dehydrieren von Pilzen, d.h. das Trocknen zu deren Konservierung und Aufbewahrung über den Winter in manchen ländlichen Regionen üblich, so daß der unzubereitete Verzehr von Trockenpilzen der Art Boletus luridus möglicherweise und in Einzelfällen zu Gesundheitsstörungen geführt haben mag.
 
 
 
Boletus luridus - Querschnitt
 
 
 
Ein zumindestens subjektiver Grund für eine vermutetet Giftigkeit von Boletus luridus ist die sofort auftretende, intensive Blaufärbung des Fruchtfleisches beim Anschnitt oder Aufbruch des Pilzes, ein Farbeffekt der allerdings auch bei vielen anderen Pilzen der Röhrlinge auftritt und insbesondere von den Maronen bekannt ist, deren gelbe Schirmunterseite sich beim Berühren und leichtem Fingerdruck an den Druckpunkten sofort stark lila verfärbt.
 
 
 
 
 
Boletus luridus - Blaufärbung des frisch angeschnittenen Fruchtfleisches
 
 
 
 
Verantwortlich für die Blaufärbung ist ein Pflanzenfarbstoff, der in der Natur bei Röhrlingen und Flechten häufig vorkommt, die sogenannte PULVIN-Säure. Die Pulvin-Säure ist chemisch betrachtet eine ALKEN-Säure die selbst nur gering toxisch ist. Eines der  Derivate (Umwandlungsprodukte) der Pulvin-Säure, ihr Methyl-Ester VULPIN-Säure  ist aber ein starkes Gift. In Röhrlingen kommen natürlich die für die Blaufärbung verantwortlichen Hydroxy-Pulvinsäuren XEROCOM-Säure und VARIEGAT-Säure vor. Die durch die Pflanzenfarbstoffe bzw. Säuren verursachte, sofortige Blaufärbung des angeschnittenen Fruchtfleisches wirkt auf den ersten Blick intuitiv bedrohlich ("Blau-Säure") und wird daher möglicherweise als Grund angesehen, unter anderem den Hexenpilz als giftig zu betrachten.




Netzstieliger Hexenröhrling - Frisch angeschnittenes Fruchtfleisch des Pilz-Hutes mit deutlicher Pulvinsäure-Derivat Blaufärbung und küchenfertig tranchierte Fruchtfleisch-Scheiben




Hat man diesen Punkt der Untersuchung des Pilzfruchtkörpers von Boletus luridus erreicht, dann sollte man jetzt trotz allem aber nicht weiter zögern, die Pilzfleisch-Streifen in eine Pfanne mit heißer Butter zu überführen, denn Hitze und Bratfett zusammen erzeugen aus der Sicht des Chemielaboranten betrachtet eine weitere chemische Reaktion mit den "blauen Pflanzen-Farbpigment-Säuren" die deren molekulare Struktur so verändert, daß sie zerfallen und chemisch unwirksam werden. Ebenso schnell, wie das frische Pilzfleisch sich beim Anschnitt blau verfärbte verschwindet in der Bratpfanne nach wenigen Momenten diese Blaufärbung und verwandelt sich in ein Goldgelb, das den Geschmackssinn eines jeden Küchenbegeisterten sofort stimulieren wird:



Boletus luridus Fruchtfleisch-Scheiben nach kurzem Anbraten mit Butter



Wer könnte diesem, vor Kurzem noch gefährlich-blauem Hexenpilz widerstehen ? Tatsächlich kann hier garantiert werden, daß dieser am 4. August 2011 in Weilmünster geerntete und frisch zubereitete Boletus luridus mit Baguette-Weißbrot ohne weitere Beilagen zu Testzwecken genossen ausgesprochen delikat schmeckte und zu kleinerlei Magenverstimmungen geführt hat. Starke Hitzezufuhr ist also ausreichend um die potentielle Giftwirkung der chemischen Pulvinsäure-Umwandlungsprodukte auszuschalten.




Boletus luridus am 4.8.2011



Generell gilt bei Nahrungsmitteln und insbesondere solchen, die direkt aus der Natur oder dem Garten entnommen werden, daß das äußere Erscheinungsbild der Frucht oder der Pflanze in direktem Zusammenhang für ihre Verträglichkeit beim Verspeisen steht. In übertragenem Sinne gilt dies auch für die Zubereitung und Präsentationsform der Speise bei Tisch. Die vermeintliche Giftigkeit einer Speise beruht in vielen Fällen vermutlich mehr auf einer inneren Ablehnung entstanden auf Grund von Phantasievorstellungen, wie beispielsweise ausgelöst durch eine "alarmierende" Färbung oder dem Eindruck, den die Pflanze im Moment der Ernte erweckt hat und seltener auf dem tatsächlichen Vorhandensein von Giften. Daraus ableitend läßt sich sich die prinzipielle Regel aufstellen, daß etwas, was schmackhaft aussieht und das Appetit erregt auch bedenkenlos gegessen werden kann während umgekehrt dem intuitiven Ablehnungsgefühl gegenüber Speisen unbedingt auch Folge geleistet werden sollte.

Natürliche Wuchsorte von Boletus luridus sind lichte Laub-Mischwälder aus Birken, Buchen und Eichen mit grasigem Untergrund, besonders auf trockenen und lehmigen Kalkböden. Hier wächst der Pilz oft in kleinen Gruppen und bildet Fruchtkörper in den Monaten Juni  bis Oktober. Auch an waldnahen, grasigen Stellen, an Straßenrändern und in Alleen und Parks mit altem Baumbestand kann der Netzstielige Hexenröhrling gefunden werden.







Runzliger Korallenschwamm
Clavaria rugosa
 
Im Wald auf das biosystematische Glatteis zu geraten erscheint für Laien zuerst unmöglich, denn es fehlt dort an Wasserflächen beziehungsweise würde man zwischen Bäumen weder Schwämme noch Korallen erwarten. Sieht man sich aber dann tatsächlich einem Korallenschwamm gegenüber, so ist die genaue Bestimmung dieser Pilz-Arten, die ihren namensverwandten Meeresbewohnern teilweise sehr ähnlich sehen, ausgesprochen schwierig, denn die Gewächse sehen sich recht ähnlich, sind farbvariabel und zudem ist die Bestimmungsliteratur selbst im Internet uneinheitlich und einer gewissen Dynamik unterworfen.
 
Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts ordnete man Pilze mit strauchig-ästigem oder einfach-keuligem Fruchtkörper den beiden "Hymenomyceten"-Gattungen CLAVARIA (Keulenschwamm) und HYDNUM (Stachelschwamm) zu. Zur Gattung Clavaria zählten der auch heute in der deutschen Sprache noch so benannten Weiße Korallenschwamm, Gelbe Hirschschwamm (auch: Hahnenkamm oder Ziegenbart genannt) und der Rote Hirschschwamm bzw. die Bärentatze. Die Gattung Hydnum umfasste unter anderem den Braunen Habichtschwamm (auch: Hirschzunge), den Gelben Stachelschwamm und den Weißen oder Gelblichen Korallenschwamm (auch: Igelschwamm). Schon damals zeichneten sich also Doppelbenennungen bzw. Überschneidungen ab.
 
 
 
Typisches Habitat für Korallenschwämme im November: Wegrand im Fichtenwald
 
 
 
Gegenwärtig behandelt die botanische Systematik die Korallenpilze als Familie oder Gruppe "unsicheren Standortes" (incertae sedis) die keiner definierten Klasse bzw. Ordnung zugerechnet werden und somit der weiteren, exakten Untersuchung und systematischen Zuordnung harren. Zusammengefasst werden (oder wurden) zu Beginn der 80er Jahre in der Familie CLAVARIACEAE die Gattungen Typhula, Ramaria und Clavaria, denen desweiteren die Gattungen Clavulina und Clavulinopsis nahestehen. Zumindestens im Internet.
 
Der bekannteste Korallenpilz ist der auffällige, leuchtend-sattgelbe Ziegenbart, welcher als Speisepilz dienen kann. Allerdings ist sein Verzehr wegen des etwas zähen Fruchtfleisches und des nicht stark ausgeprägten Eigengeschmackes nichts unbedingt Bemerkenswertes. In großen Mengen genossen kann er Magenschmerzen hervorrufen, was ihn mit anderen Korallenpilzen gleichsetzt, wie etwa der Bauchwehkoralle.  

Viele andere Korallenpilze entwickeln weniger stark gefärbte Fruchtkörper. Zu ihnen zählt der hier beschriebene Pilz, der Mitte November bei nassfeuchtem Klima in einer Fichtenmonokultur am Wegrand wachsend registriert wurde. Anhand von Vergleichsfotografien aus dem Internet wurde er hier der Art Clavaria rugosa zugeordnet, die bisweilen auch als Clavulina rugosa auftritt und unter anderem den deutschen Artnamen RUNZLIGER KEULENPILZ trägt.




Clavaria rugosa (Clavulina rugosa) Runzliger Korallenschwamm
(auch: Runzliger Keulenpilz, Wrinkled Coral Fungus)
 


Die Höhe der am 14. November 2013 gefundenen Fruchtkörper lag bei durchschnittlich 5-6 Zentimetern. Nach Literaturangaben sollen maximale Fruchtkörperhöhen von 12-15 cm beobachtet worden sein. Die Farbe der Fruchtkörper der beobachteten Entwicklungsstufe war hell-reinweiß. Die Form der Fruchtkörper war mit zunehmender Wuchshöhe keulig aufgebläht und wenig verzweigt.



Clavaria rugosa
14. November 2013




Die Ausdehnung der Clavaria rugosa - Pilzkolonie erstreckte sich über mehrere Quadratmeter mit Moospolstern bedeckten Waldbodens am Rande ein unbefestigten Weges durch eine Fichten-Monokultur westlich des Dietenhäuser Berges im Wald entlang der B 456. Die Pilze wuchsen einzeln und in kleinen Gruppen.



Clavaria rugosa
14. November 2013
 
 
In der Literatur wird der Runzlige Korallenpilz als eßbar, genießbar bzw. als Speisepilz beschrieben. Allerdings wird ihm kein besonderer kulinarischer Wert zugemessen und meist auf seinen fehlenden Eigengeschmack hingewiesen. Auch verfügt der Pilz nicht über ein erwähnenswertes Aroma, das bedeutet also er ist weitgehend geruch- und geschmacklos. Demzufolge sind hier weder Erfahrungen über seine Verwendung in der Küche bekannt noch wurden die gefundenen Pilze dementsprechend probiert. 
 
 
 
 
Clavaria rugosa
14. November 2013
 
 
 
Der Runzlige Korallenpilz entwickelt seine Fruchtkörper von August bis November. Sein Verbreitungsareal sind die nördlicheren Breiten von Amerika, Europa und Asien. In den mediterranen Ländern ist er eher selten.
 
 
 
 
Clavaria rugosa
14. November 2013
 


 
 
 
 
Goldflechte (Gewöhnliche Gelbflechte)
Xanthoria parietina
 
 
 Als "Volksgold" oder "Goldflechte" bezeichnet man in manchen ländlichen Regionen die im etablierten deutschen wissenschaftlichen Sprachgebrauch GEWÖHNLICHE GELBFLECHTE genannte, symbíotische Lebensgemeinschaft aus Pilzhyphen und Grünalgen der Gattung Trebouxia mit dem lateinischen Artnamen Xanthoria parietina, ursprünglich Lichen parietinus genannt. Im kindlichen Sprachgebrauch auch als "Unser Gold" bezeichnet, beschreibt diese Namensgebung so  die in schwindenden Bevölkerungskreisen noch erhaltene Wertschätzung gegenüber dem als Wert empfundenen Formenreichtum der Natur, einhergehend mit  der Relativierung materieller Sachwerte in Banktresoren wie etwa dem Metallgold, das nur exklusiven Personengruppen zugänglich war. Die Goldflechte, infantil gerne als "Schatz" betrachtet, über dessen Existenz geschwiegen und dessen Fundorte geheim gehalten wurden, stellte dahingegen von jeher einen Wert dar, der immer unbegrenzt zur Verfügung stand und jedem Bevölkerungsteil zugänglich ist - wenn man denn weiß wo sie wächst.
 
 
 
Xanthoria parietina GOLDFLECHTE
LECANOROMYCETES Fam. Teloschistaceae
 



Die Goldflechte ist weltweit verbreitet. Man findet sie in allen Kontinenten mit Ausnahme der nördlichen und südlichen Polarregionen. Haupt-Wuchsorte der Flechte sind Baumrinden, überwiegend von Laubbäumen, doch besiedeln sie auch Holz, Felsen, Steine und Mauern bzw. andere anthropogene Strukturen.





Xanthoria parietina GOLDFLECHTE
auf Baumrinde am 1.2.2014 bei Weilmünster


 
In ihrer satt-goldgelben Färbung ähneln die im Durchmesser bis zu 10 cm großen Rosetten der Flechte einigen weiteren Flechtenarten aus verwandten Gattungen, doch wachsen diese ähnlichen Formen entweder auf Standorten an Felsen der Meeresküste (Caloplaca thallincola) oder bilden reich verzweigte, strauchförmig aufwachsende Thallus-Ästchen aus (Telochistes flavicans die Goldhaar-Flechte).
 
Zu Grunde liegen diesen Zuordnungen der Wuchsformen zu verschiedenen Gattungen und Arten die systematischen Einteilungen vom Ende des vergangenen Jahrhunderts. Da Flechten extrem langsam wachsen und 100 Jahre oder älter werden können ist einschränkend zu bemerken, daß nicht auszuschließen ist, daß im Moment der Beobachtung und Registrierung rosettenförmig wachsende Blatt-Flechten Jahrzehnte später nicht auch strauchförmige Verästelungen ausbilden könnten. Zudem ist die extreme Sensibilität von Flechten gegenüber Luftschadstoffen bekannt, so daß zusätzlich die Vermutung existiert, daß ein und dieselbe Flechtenart zum Beispiel an Straßenrändern und in siedlungsfernen Gebieten unterschiedliche Wuchsformen entwickeln könnten. Trotzdem soll in dieser Publikation der existierende Orientierungsrahmen beibehalten werden.
 
Vergleichende Experimente zur Beobachtung des Flechtenwachstums sind beispielsweise dergestalt denkbar, daß experimentell junge Bäume mit Flechtenbewuchs an Straßenrändern ausgegraben und an siedlungsfernen Wuchsorten wiedereingepflanzt werden, was Aussagen über eine vermutete Entwicklung anderer Wuchsformen unter anderen ökologischen Bedingungen ermöglichen würde.
 
 
 
 
Xanthoria parietina GOLDFLECHTE
die "Apothecien", auch freiliegende Fruchtkörper genannt.
 
 
 
 
Die Vermehrung der Flechten kann auf unterschiedlichem Wege stattfinden, zum Einen durch Sporenbildung in den dazu entwickelten Geweben (Fruchtschichten = Hymenium). Liegen diese Fruchtschichten frei an der Oberfläche der Flechte, wie im hier dargestellten Beispiel, dann bildet die Flechte schüsselförmig erhabene Fruchtkörperchen aus, die sogenannten Apothecien. Diese sind bei Xanthoria parietina meist auffällig satt-gelborange gefärbt. Andere Flechtenarten entwickeln im Flechttahllus verborgene Hymenien, das nennt man dann ein Perithecium, das Hohlräume im Flechteninneren bildet und dann notwendigerweise eine Sporenaustrittsöffnung hat.
 
Aber auch ohne sexuelle Vermehrung über Sporenbildung können sich auch neue Flechten als Ableger der Ausgangsflechte bilden und zwar durch die Bildung von Thallus-Bruchstücken, den sogenannten "Soredien" oder "Isidien". Beide enthalten vermehrungsfähiges Gewebe und können an anderer Stelle in der Nähe oder weitab der Ausgangsstruktur anwachsen.  Isidien entstehen spontan als zufällige Bruchstücke spröden und trockenen Flechtengewebes. Soredien entstehen durch Aufbruch des Hyphengewebes und Freilegung der Algenschichten, die dann von Pilzhyphen neu umwachsen kleine vermehrungsfähige Körner bilden, welche sich anderenorts anheften und weiterwachsen können.
 
 
 
 Xanthoria parietina GOLDFLECHTE
ein Naturheilmittel
 
  

Pflanzen mit kräftig leuchtend blauer oder orange-gold-gelber Farbe wird von der Offizinalmedizin oft Heilwirkung zugeschrieben und die entsprechenden Pflanzenteile nicht selten zum Naturheilstoffen weiterverarbeitet. Dieses Phänomen wurde bereits im Artikel über Die Wildplanzen Weilmünsters am Beispiel des Alant, der Färberkamille und des Borretsch angesprochen (siehe dort). Kaum eine andere Pflanze als die Goldflechte scheint demzufolge geeigneter zu sein als Heilpflanze betrachtet zu werden, denn sie behält ihre intensive Färbung über alle Jahreszeiten und über viele Jahre hinweg bei. Flechten überhaupt dienen der Naturmedizin oft als Wirkstofflieferant, wie beispielsweise das Islandmoos Cetraria islandica das in der Volksmedizin in Aufgüssen gegen Erkältung, Husten und Lungenerkrankungen eingesetzt wird, aber auch als Lieferant von antibakteriellen Wirkstoffen dient. Die Goldflechte Xanthoria parietina selbst wurde historisch als Chinin-Ersatz gegen Malaria eingesetzt und soll heute antivirale Eigenschaften als Mittel gegen humane Influenzaviren haben.

Nicht zuletzt wegen dieser Eigenschaften wurde Xanthoria parietina im Jahre 2004 durch den NABU und die Bryologisch-lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa BLAM zur Flechte des Jahres gekürt.



 Xanthoria parietina GOLDFLECHTE
bisweilen auch Gewöhnliche Gelbflechte genannt



Fremdsprachige Artnamen der Flechte sind im Englischen common orange lichen, yellow scale, maritime sunburst lichen und shore lichen, was auf die Ähnlichkeit und Verwechslungsmöglichkeit mit Caloplaca thallincola hinweist. Im Französischen nennt man die Goldflechte parmélie des murailles bzw. lichen encroûtant jaune. 

Für eine Gruppe von Schmetterlingen, deren Raupen für ihre Ernährung auf Flechten angewiesen sind, stellen die Goldflechten eine wichtige Nahrungsgrundlage dar. Es handelt sich dabei um einige Arten aus der Familie der Bärenspinner (ARCTIIDAE), die sogenannten Flechtenbärchen. Insbesondere handelt es sich um Arten aus den Gattungen Eilema, Cybosia, Setina, Lithosia, Miltochrista und Atolmis. Nicht selten verpuppen sich die Larven in Gespinsten zwischen den Flechten.




Xanthoria parietina GOLDFLECHTE
 
 
 
Prinzipiell und für alle Flechtenarten gültig bleibt anzumerken, daß die Symbiose zwischen Pilz und Alge ein labiler, situationsangepaßter Gleichgewichtszustand ist, der sich bei wandelnden äußeren Einflüßen und Änderungen der Umweltbedingungen auch wieder auflösen kann. Wie bereits einleitend erwähnt, können Pilze mit Hilfe der Photosyntheseprodukte der in ihren Körpern eingeschlossenen Algen Lebensräume besiedeln, an denen sie selbst keine Nährstoffe aus dem Untergrund aufnehmen können - wie beispielsweise Steinoberflächen. Algen wiederum würden an selbigen Standorten sofort austrocknen, wären sie ohne den Schutz des sie umschließenden Pilzhyphenkörpers der Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Ändern sich nun die Nährstoffverhältnisse für die eine oder anders Seite so, daß ein vom Symbiosepartner unabhängiges Wachstum möglich wird, dann kann sowohl der Pilz die Alge überwuchern als auch umgekehrt die Alge den Pilz. Ersteres wäre beispielsweise bei externer Nährstoffzufuhr von Zuckerlösung (dem Algen-Stoffwechselprodukt) der Fall, letzteres bei anhaltend hoher Feuchtigkeit, die der Alge Wachsen und Überleben auch außerhalb des Pilzhyphengeflechtes ermöglichen würde.
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 

 


 
 
 
 
 
 
    
 
 






 


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 


  







 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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